Stadttauben: Was wirklich hilft

Während die weiße Taube als Symbol des Friedens bekannt ist, werden Stadttauben oft als „Ratten der Lüfte“ wahrgenommen. Besonders in Städten kommt es zu Konflikten mit Anwohnern, Gastronomen und den Behörden. Das Augsburger Modell, das auf kontrollierter Fütterung und Taubenschlägen zur Populationseindämmung setzt, bietet eine nachhaltige und tierfreundliche Lösung für dieses Problem.

Warum ist Stadttaubenmanagement wichtig?

Menschen haben ein Problem mit Tauben

Stadttauben prägen das urbane Stadtbild, und es gibt schätzungsweise 190.000 bis 310.000 Brutpaare in Deutschland. Der Taubenkot verschmutzt Gebäude und öffentliche Plätze, was erhebliche Reinigungskosten verursacht. In Cafés und auf Straßen fühlen sich viele Menschen durch Tauben belästigt, und es gibt Bedenken, dass sie Krankheiten übertragen könnten. 

In der Vergangenheit wurde auf verschiedenen Wegen versucht, das Taubenproblem einzudämmen: Fütterungsverbote, Spikes, Netze, Falkner mit Greifvögeln, Verhütungspillen, Sterilisation, Einfangen, Massentötung… All diese Maßnahmen kosten Geld, die meisten sind mit dem Tierschutz nicht zu vereinbaren und keine hat bislang langfristigen Erfolg gebracht.

Tauben haben ein Problem mit Menschen

Stadttauben sind vom Menschen gezüchtete Nutztiere, keine Wildtiere. Felsentauben wurden gezüchtet, um sich von ihrem Fleisch und den Eiern ernähren zu können. Aufgrund ihres Brutzwangs brüten sie das ganze Jahr über, egal unter welchen Bedingungen. Sie sind standorttreu und können nicht einfach „woanders hin“ ziehen. Sie finden in der Innenstadt zu wenig Trinkwasser und kein artgerechtes Futter, sie sind oft unterernährt und krank. Ihre Lebensräume in Städten sind durch Vergrämungsmaßnahmen zunehmend eingeschränkt. Stadttauben sind auf die Hilfe des Menschen angewiesen.

Rechtliche Perspektive

Juristisch betrachtet sind Stadttauben keine Wildtiere, sondern Fundtiere, da sie Nachfahren von Haustauben sind. Dies macht die Kommune nach § 5a AGBGB und §§ 965-976 BGB für ihre Versorgung verantwortlich. Auch § 1 des Tierschutzgesetzes und Art. 20a GG greifen. Stadttauben als Nachkommen der gezüchteten Haustauben können in freier Wildbahn nur mit geringer Lebenserwartung und in schlechtem gesundheitlichem Zustand überleben.

Fütterungsverbote, die in vielen Kommunen in der Polizeiverordnung verankert sind, basieren auf Annahmen über Tauben, die heute so nicht mehr haltbar sind. Etwa die Gefahr von Krankheitsübertragungen oder Schäden durch ihren Kot. Die Wirksamkeit von Fütterungsverboten zur Eindämmung der Taubenpopulation kann in der Praxis nicht nachgewiesen werden.

Das Augsburger Modell: Zwei Module für eine nachhaltige Lösung

Das Augsburger Modell bietet eine nachhaltige Lösung, die sowohl den Tierschutz als auch die Bedürfnisse der Stadtbewohner berücksichtigt. Ziel ist es, eine ausgewogene Taubenpopulation zu etablieren und das Wohl der Tiere zu sichern. Es setzt auf zwei Module:

  1. Gezielte Fütterung: An festgelegten Orten werden Tauben artgerecht gefüttert.
  2. Taubenschläge: Hier kommen die Tauben unter und werden versorgt. Gelegte Eier werden durch Eier aus Gips ausgetauscht. 

 

Das Modell bietet zahlreiche Vorteile für Tier und Mensch:

  • Langfristige, tierfreundliche Kontrolle der Taubenpopulation: Durch gezielte Fütterung und kontrollierte Brutstätten kann die Zahl der Tauben nachhaltig reduziert werden.
  • Bessere Lebensbedingungen für die Tauben: Sie müssen nicht mehr auf der Straße nach Nahrung suchen und können in den betreuten Schlägen unterkommen.
  • Zentralisierte Entsorgung von Taubenkot: Dieser kann effizient in den Taubenschlägen entsorgt werden, was die Reinigung öffentlicher Plätze erleichtert.
  • Kostenersparnis: Die Städte und private Hausbesitzer sparen sich teure Vergrämungs- und Reinigungsmaßnahmen. Studien, wie die in Herrenberg, zeigen, dass die Einsparungen enorm sein können.

Umsetzung in der Praxis

Standorte

Die Standorte für Taubenschläge und -fütterung müssen sorgfältig ausgewählt werden. Sie sind nur an den Hotspots sinnvoll, an denen die Tauben sich schon angesiedelt haben. Tauben bevorzugen höhergelegene Nistplätze, sie stammen von der Felsentaube ab. Sie sind sehr standorttreu und haben einen kleinen Aktionsradius. Deshalb können sie nicht umgesiedelt werden. Es hat sich bewährt, Taubenschläge vor allem auf städtischen Gebäuden und Grundstücken einzurichten, damit sie langfristig bestehen können. Auch Gebäude im Denkmalschutz eignen sich deshalb gut.

Hier ist es wichtig, langfristige und praktikable Lösungen vor Ort zu finden. In manchen Städten übernehmen Ehrenamtliche die Betreuung der Taubenschläge und Fütterung der Tauben, in anderen Orten gibt städtische Taubenwarte der. Möglich ist auch eine Kombination aus beidem.

Die Kosten für einen Taubenschlag variieren je nach Standort. Besonders praktisch und verhältnismäßig günstig sind Dachböden, die zu Taubenschlägen umgebaut werden mit 5.000€ – 8.000€. Vergleichbar sind die Kosten für Taubenschläge in Parkhäusern. Auf Flachdächern können Häuschen oder Container aufgestellt werden. Je nachdem, ob z.B. eine Brüstung nachgerüstet werden muss, liegen die Kosten zwischen 15.000€ und 30.000€. Aber auch umgebaute Container oder Bauwagen eignen sich und kosten zwischen 7.000€ und 15.000€. Taubenhäuser und -türme auf Grünflächen sind zwar optisch wirkungsvoll, sie bieten aber meist keinen Lagerraum für Futter und keinen Strom- und Wasseranschluss und sind mit 60.000€ bis 120.000€ die teuerste Lösung.

Für den laufenden Betrieb von einem Taubenschlag ist mit etwa 540€ pro Monat zu rechnen. Darin enthalten sind Futterkosten, Reinigungsgeräte, Tierarztkosten und ein Taubenwart für 1,5 Stunden am Tag.

Für die Stadt Herrenberg wurde berechnet, welche Kosten bisher jährlich durch Stadttauben entstehen. Für die Vergrämungskosten, also z.B. Spikes und Netze, die an Häusern angebracht werden und die Stadtreinigung liegt die Schätzung bei 567.000 Euro jährlich. Herrenberg braucht drei Taubenschläge, um die Taubenpopulation vor Ort nach dem Augsburger Modell zu versorgen – die Ersparnisse sind enorm. Und auch private Hausbesitzer müssen ihr Geld nicht mehr in Vergrämungs- und Reinigungsmaßnahmen investieren.

Um das Augsburger Modell erfolgreich umzusetzen, ist die Einbindung aller Beteiligten von Anfang an unerlässlich: Tierschutz- und Taubenschutzorganisationen, Gemeinderat, Ordnungsamt, Veterinäramt, Amt für Grünflächen, Denkmalschutzbehörde, Handel und Gewerbe, Hausbesitzer und die Anwohner. Das gilt sowohl für die Maßnahmen selbst als auch für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Es muss von Anfang an Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit geleistet werden.

Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme der Taubenpopulation in der Kommune. Sowohl Tierschützer vor Ort als auch das Ordnungsamt wissen in der Regel, wo die neuralgischen Punkte sind. Im nächsten Schritt kann dann ein Antrag zur Einführung des Augsburger Modells gestellt werden. In unserem Mitgliederbereich findet ihr Muster für beides.

Die Finanzierung muss langfristig gesichert sein, da auch mit erfolgreichen Maßnahmen weiterhin Tauben in den Städten leben werden. Schon allein, weil immer wieder Brieftauben in den Städten stranden. Ein guter Einstieg sind Pilotprojekte an „Hotspots“, an denen die Taubenpopulation besonders hoch ist.

Wir bedanken uns herzlich bei Anna Faix und Britta Oettl vom Verein StraßenTAUBEN und StadtLEBEN e.V. für ihre Unterstützung bei diesem Beitrag.

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Katharina Eckert

Referentin der Geschäftsführung

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