Fußverkehr rückt ins Bewusstsein
Unter dem bundesweit ersten Grünen Verkehrsminister Winne Hermann hat Baden-Württemberg seit 2011 eine Vorreiterrolle übernommen und Fußverkehr systematisch auf Ministeriumsebene bearbeitet. Seit 2024 bringt die Novelle der Straßenverkehrsordnung neue Handlungsspielräume für Kommunen. In Baden-Württemberg wird intensiv an einer Fußverkehrsstrategie gearbeitet – die Bausteine findet ihr hier. Und auch die Fußverkehrsstrategie der Bundesregierung vom Februar 2025 gibt Fußgängern Rückenwind.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Der Verkehr wird in Deutschland im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und in der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Die für den Fußverkehr wichtigsten Passagen der StVO und einen Überblick über weitere relevante Gesetzgebung hat Fuss e.V. zusammengetragen.
Der Fokus von StVG und StVO lag bisher auf der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ – der Autoverkehr stand im Mittelpunkt. Seit 2024 gilt, dass „Rechtsverordnungen […] auch erlassen werden [können] zur Verbesserung des Schutzes der Umwelt, darunter des Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung“ (§ 6 Abs. 4a StVG). Das eröffnet ganz neue Handlungsspielräume. Außerdem wurden die Einrichtung von Zebrastreifen und das Bereitstellen von Flächen für den Fußverkehr erleichtert.
Einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen in der Straßenverkehrsordnung findet ihr in unserem Mitgliederbereich.
Obwohl Verkehrsrecht meist Bundessache ist, nutzt Baden-Württemberg seine Spielräume gezielt zur Förderung des Fußverkehrs. Leitfäden und Erlasse unterstützen Kommunen u. a. bei der Überwachung des Ruhenden Verkehrs, der Einrichtung von Fußgängerüberwegen und der Ortsmittenförderung.
Schnittstellen mit anderen Verkehrsthemen
ÖPNV und Fußwege
Bessere Fußwege in der Stadt stärken den ÖPNV. Denn was nützt eine komfortable, sichere und barrierefreie Haltestelle, wenn die Strecke dorthin voller Hindernisse ist? Der Fußverkehr-Check für den Weg zur Haltestelle des Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist ein hilfreiches Instrument für Engagierte, um Problemstellen zu erfassen. In einem Leitfaden für gute Wege zur Haltestelle stellt der VCD zehn einfach umzusetzende Maßnahmen vor, mit denen Kommunen Fußwege aufwerten und somit den ÖPNV attraktiver machen können.
Fußwege als Schulwege
Alle Schulen in Baden-Württemberg müssen Schulwegpläne erstellen – ein grüner Erfolg! Sie zeigen sichere Wege und warnen vor Gefahrenstellen. Das Tool Schulwegplaner unterstützt Schulen und Kommunen dabei. Hier gibt es ergänzende Hinweise zum Schulweg-Erlass 2024.
MOVERS unterstützt Schulen und Kommunen kostenlos dabei, sichere und aktive Schulmobilität zu fördern – z. B. mit Schulwegplänen, Radabstellanlagen, Bike-Pools oder Aktionen wie dem STADTRADELN. Mehr Infos findet ihr im Factsheet MOVERS – Aktiv zur Schule.
Oft sind es die letzten Meter zur Schule hin, auf denen Schulwege wegen Chaos durch Elterntaxis besonders gefährlich sind. Hier kommen Schulstraßen ins Spiel: Das sind Straßenbereiche rund um Schulen, die vorübergehend oder dauerhaft für den motorisierten Verkehr gesperrt werden können.
Best Practice Beispiele und Ideen können Engagierte im online Portal „Aktive Mobilität an Schulen“ des VCD austauschen.
Belebte Ortsmitte – zu Fuß in den Ort
Das Land fördert die Umgestaltung von Ortsmitten – für mehr Aufenthaltsqualität und weniger Autoverkehr. Mehr Infos gibt es im auf der Webseite von aktivmobil BW: „Lebendige Ortsmitten für BW“. Das Land stellt Visualisierungstools und Straßenmöbel für temporäre Umgestaltungen bereit. Einfach mal ausprobieren!
Förderung durch das Land Baden-Württemberg
Baden-Württemberg unterstützt den Fußverkehr mit zahlreichen Programmen und Angeboten. Einen umfassenden Überblick bietet das Portal aktivmobil. Besonders wichtig: das Förderprogramm LGVFG RuF. Alle Infos und Förderbedingungen findest du in dieser Präsentation des Verkehrsministeriums.
Das Land unterstützt Kommunen auch durch Personalstellen: In allen vier Regierungspräsidien gibt es Fußverkehrsbeauftragte als direkte Ansprechpersonen. Zudem fördert das Land kommunale Stellen für Fußverkehr – mit vollständiger Kostenübernahme für zwei Jahre.
Wie vorgehen?
Fußverkehrs-Check: Status quo ermitteln
Ein Fußverkehrs-Check ist ein wirkungsvolles Instrument, um die Situation für Fußgängerinnen vor Ort zu analysieren und Verbesserungspotenziale sichtbar zu machen. Seit 2015 wurden über 100 dieser Checks in baden-württembergischen Kommunen vom Verkehrsministerium gefördert – hier der Leitfaden Fußverkehrs-Checks. In Workshops und Begehungen entwickeln Bürgerinnen, Verwaltung und Politik gemeinsam Ideen für sichere und attraktive Fußwege.
Wer nicht auf eine Förderung warten will, kann auch selbst aktiv werden: Mit dem Ratgeber von FUSS e.V. und der App GehCheck (ein Projekt von FUSS e.V. und dem Umweltbundesamt) lässt sich ein Check unkompliziert in Eigenregie durchführen.
Verbündete suchen
Mit dem Thema Fußverkehr befassen sich vor allem Engagierte aus der Verkehrssicherheitsarbeit, Behindertenverbände und Schulweg-Initiativen. Sie wissen, wo vor Ort der Schuh drückt und sollten mit ins Boot geholt werden. In einigen größeren Kommunen gibt es mittlerweile Verwaltungsmitarbeiter, die explizit die Förderung des Fußverkehrs zur Aufgabe haben. Aber z.B. auch kommunale Inklusionsbeauftragte oder Schulleitungen können mit einbezogen werden.
Aufmerksamkeit lenken
Es reicht oft nicht, dass ein Thema wichtig ist – es muss auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bekommen. Der Interessensverband FUSS e.V. hat mit seinem Aktionsbaukasten eine Liste kreativer politischer Aktionen zur Sensibilisierung für den Fußverkehr in Städten und Gemeinden zusammengestellt. Der VCD zeigt in seinem Leitfaden „Lebenswerte Städte durch Straßen für Menschen“ eindrücklich, dass es viele kreative und pragmatische Ansätze gibt, um dem Ziel einer fußgängerfreundlichen und sicheren Kommune näher zu kommen.
Netzwerke nutzen
Eine gute Möglichkeit für Kommunen, Synergieeffekte zu nutzen, ist das Netzwerk „Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen“ AGFK-BW. Es ist ein Zusammenschluss aus rund 120 baden-württembergischen Landkreisen, Städten und Gemeinden mit dem Ziel, eine aktive und nachhaltige Mobilitätskultur zu etablieren und wird mit Landesmitteln unterstützt. Es richtet sich sowohl an Bürgerinnen und Bürger als auch an die Fachebene und bietet Kampagnen, Aktionen, Broschüren, Weiterbildungen, Beratung und Netzwerktreffen zum Thema Fußverkehr an. Vielleicht ist eure Stadt oder euer Landkreis schon Mitglied?
Das Rad nicht neu erfinden
Best Practice-Beispiele und Inspiration findet ihr zum Beispiel bei Move Forward und AGFK-BW.
Antrag stellen
Mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung haben Kommunen in § 45 Abs. 1j StVO ein Antragsrecht gegenüber der Straßenverkehrsbehörde bekommen. Gemeinderäte haben demnach nun die Möglichkeit, ihre Verwaltung aufzufordern, von diesem Antragsrecht Gebrauch zu machen.
- Bausteine Fußverkehrsstrategie Baden-Württemberg 2024
- Schritte zur Einführung einer kommunalen Fußverkehrsstrategie (Fuss e.V.)
- Leitfaden Fuss e.V.: Vier Initiativen für Rät*innen zur Verbesserung des Fußverkehr
- Buchtipp: Raus aus der AUTOkratie - rein in die Mobilität von Morgen, von Katja Diehl
- Gebündeltes Wissen zur neuen Straßenverkehrsordnung
- Musteranfrage "Schulwegplaner"

Katharina Eckert
Referentin der Geschäftsführung