Schutzstatus von Streuobstbeständen – hoffentlich jetzt wirksam
von Markus Rösler, MdL, Sprecher für Naturschutz GRÜNE-Landtagsfraktion
„Streuobstbestände unter Schutz“ durften wir im Juli 2020 höchst erfreut vermelden mit der Verabschiedung des „Biodiversitätsstärkungsgesetzes“. Gemäß § 33a des Naturschutzgesetzes des Ländles sind Streuobstbestände und andere wertvolle Obstbaumbestände ab 1.500 Quadratmeter Größe geschützt.
Aber leider: „Grau, theurer Freund, ist alle Theorie“… Der Schutz war in der Praxis bisher nichts wert. Über 50 Fälle waren und sind aktuell im ganzen Land anhängig oder sogar schon beschlossen, wo bis auf zwei kleine Ausnahmen die Rodung meist für Wohnbaugebiete doch genehmigt wurde oder absehbar erscheint.
Neuer Erlass zum Schutz von Streuobstbeständen
Wir Grüne haben uns daher erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Umweltministerium (UM) gemeinsam mit dem Ministerium für Ländlichen Raum (MLR) und dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen (MLW) einen Erlass zum Schutz von Streuobstbeständen erarbeitet und an die Naturschutzbehörden, die Landwirtschaftsbehörden, sowie die Baubehörden geschickt. Dieser Erlass vom 19.4.2022 konkretisiert die Anwendung des § 33a NatSchGbw.
Denn mit über 5000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten und über 6000 Obstsorten deutschlandweit (Angaben des NABU-Bundesfachausschuss Streuobst) sind Streuobstwiesen Hotspots der Biologischen Vielfalt in ganz Mittel- und Westeuropa. Und wir im Ländle verfügen europaweit über die bedeutendsten Streuobstbestände – immer noch rund sieben Millionen Bäume, rund 100.000 ha.
„Sinn und Zweck der Regelung ist es, Streuobstbestände im möglichst großen Umfang zu erhalten.“, schreibt das UM in Abstimmung mit MLR und MLW unmissverständlich und konkretisiert: Selbst laufende Bebauungsplanverfahren selbst mit Aufstellungsbeschlüssen und langjährigen Vorplanungen sollen hiervon nicht ausgenommen werden. Es genügt auch das Potenzial für das Vorkommen von gefährdeten Arten insbesondere der FFH-Richtlinie und ausdrücklich geht es auch um die ökologische Bedeutung der Wiesen und nicht „nur“ der Bäume.
Daher ist es wichtig, in den Gemeinderäten, aber auch öffentlich auf den gesetzlichen Schutz von Streuobstwiesen gemäß § 33a NatSchGbw samt neuem Erlass von 2022 aufmerksam zu machen und sich für den Erhalt unserer Streuobstwiesen einzusetzen.
!! Sollte es trotz des neuen Erlasses weiterhin Vorhaben geben, wo Streuobstbestände bebaut werden sollen, gibt es auch rechtliche Mittel sich gegen eine Bebauung zu wenden:
- Bürger*innenentscheid: Der Aufstellungsbeschluss kann durch einen Bürger*innenentscheid angefochten werden. Sollte der B-Plan schon rechtskräftig sein, ist ein Stopp durch einen Bürger*innenentscheid allerdings nicht mehr möglich.
- (Fach)-Aufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium oder Umweltmeldung beim Umweltministerium: Die Fachaufsicht muss dann die Genehmigung der UNB begutachten. Diese Prüfung hat aber keine aufschiebende Wirkung des Bebauungsplans.
- Klage durch persönlich Betroffene (Eigentümer)
- Verbandsklage: Die anerkannten Umweltverbände haben die Möglichkeit
- Petition an den Landtag, am besten kombiniert mit anderen Mitteln.
In jedem Falls solltet Ihr Euch an Euern Landrat oder (Ober)bürgermeister samt Unterer Naturschutzbehörde unter Verweis auf Gesetz und Erlass wenden.
Kooperiert mit BUND, LNV, NABU und lokalen Naturschutzvereinen – und informiert uns in der Landtagsfraktion, wo im Büro von Markus Rösler eine landesweite Liste derartiger Vorhaben geführt wird, gerade auch jetzt nach dem neuen Erlass, der hoffentlich ein Tiger mit Zähnen sein wird!
Und sollte es bei Euch noch keine Planungen für die Bebauung von Streuobstwiesen geben, dann ist es die Chance schon vorher aktiv zu werden, z.B. durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit, um die Bedeutung der Streuobstwiesen bekannter zu machen. Auch eine Unterschutzstellung wäre denkbar z.B. als geschützter Landschaftsbestandteil, als Naturdenkmal für besonders herausragende Bäume oder sogar als Naturschutzgebiet für größere Bestände mit hohem naturschutzfachlichem Wert. Jegliche Unterschutzstellung sollte aber – am besten vorher schon – angegangen werden mit Vermarktungsaktivitäten für Streuobstprodukte zu fairen Preisen. Zu dieser in Deutschland, speziell auch in BA weit verbreiteten „Streuobst-Aufpreisvermarktung“ und damit einem Modellfall für Kooperation von Naturschutz und Landwirtschaft gibt es umfangreiche Infos unter www.streuobst.de > Vermarktung.
Weitere Pressemitteilungen zum Verständnis der gravierenden Problematik:
- mit Jutta Niemann 8.12.2021
- mit Stefanie Seemann 17.6.2021
- mit Nese Erikli 16.4.2021
- generell landesweit 30.7.2021